Eine Frage der Netzkultur

Ich hatte Besim was gefragt (URL noch raussuchen ;) ) und jetzt fragt er mich zurück:

Wenn ich mir mal so deine “Netzkarriere” anschaue, bist du ja schon seit Jahren in Foren, im Usenet und in wirklich eine ganze Latte von Blogs unterwegs. Mich würde mal deine Online-Mission interessieren. Etwas verändern im Netz? Und wenn ja, was?
Quelle: blog@netplanet

Nun, da könnte man ein ganzes Buch darüber schreiben, aber ein paar Notizen dazu.

* Vor der Netzzeit stand da das Vergnügen am spiel mit deisen 'kybernetischen Dingern'. Das ging soweit, dass ich am Anfang dachte: 'Ach, Spiele brauch ich dafür nicht.' So kann man sich täuschen. (Schon Doom' hab ich nciht emrh installoert, aber dummerweise sind auch die alten Sachen faszinierend und noch blöderweise kann man ja jetzt auch im Netz spielen ;) )

* Als ich 1988 das erste mal in den USA online war, war ich von Großrechnern fasziniert, besorgte mir zu Hause einen 8086er vom in den USA verdienten Geld und an der Uni einen Onlinezugang (als einziger Geisteswissenschaftler an der Uni zunächst). Gejobbt hab ich dan meine letzen semester im Rechenzentrum in der Benutzerberatung. (Again: als Anglist und Germanist ;) )

* Da wurde dann wieder rumgespielt - natürlich nciht in der arbeitszeit: PBEM (Diplomacy, war genial :) ), BITNET Relay Chat, und MUDs, im TUBmud Berlin bin ich 'elder wizard in retirement'. Ich sag immer: "Nur etwas, mit dem man spielt, wird man auch soweit verstehen, dass man damit abeiten kann."

* Im MUD hatte ich das erste mal mit '(Software)Design' zu tun, d.h. ich skizzierte ein Inflationssystem für das dort überufernde Geld. Programmiert haben es andere. ;)

* So ab 1994(?) fing ich dann auch an mit im Web zu orientieren und erste HTML-Seiten zu machen. Zunächst bei einem Projekt des SWBV, der unsere Literaturzeitschrift online stellte. Ab dem 2. Heft hab ich das dann selbst gemacht.

* Dann kam, weil mich interessierte was es da an Literatur noch so gab die Linksammlung zur Literatur dazu. Die gibt es heute noch. Und für die bekam ich 1996 des Silbernen Pegasus von IBM und DIE ZEIT.

* Danach versuchte ich 'etwas daraus zu machen' und habe mit dem Verkauf von Zweitverwertungslizenzen für Rezensionen an Amazon, BOL und andere zwei Jahre den Rezensenten ordentlich Geld ausgeschüttet und daneben noch meine horrenden Telefonrechnungen bezahlt (600 Mark und so, Flatrates gabs ja nicht).

* Parallel war ich seit 1996 in der Netzliteraturszene aktiv. Da war die/meine Idee eine 'neue Ästhetik' oder 'neue Rhetorik' der Netzdialoge zu entwickeln. Mache Dinge, die wir da gemacht haben, sagen verdächtig aus wie Weblogs, obwohl wir weder diese Technik hatten noch das Wort kannten.

* Generell war bei einen 'kommerziellen' Ansätzen treibend, dass ich dachte: "Man kann das Netz doch nicht den großen Firmen und Medienhäusern überlassen." Das Netz war für mich von Anfang an ein Kulturraum und ein "Raum der Einzelnen" - auch das Usenet ist im wesentlichen ein 'soziales Netz'. Auszuprobieren, inwiefern sich diese vielen Einzelnen zu 'virtuellen Strukturen' bündeln lassen und inwiefern sie 'einen Unterschied machen' können, das war mein Ziel. Also: das Experiment einer 'Netizen-Alternative' zum ".com". An sich hat die sich in Form der Blogosphäre jetzt etabliert - vorher fand sie im Usenet statt. Erste 'Alle verdienen lassen'-Ansätze hatte ich schon umgesetzt, und ich werde weiter an solchen Ideen arbeiten. Denn auch die Arbeit an der Netzkultur ist Kultur. Dazu dann am Schluss noch was.

* Als ich 2002 selbständig wurde, war klar, dass das nicht nur mit 'Crowdsourcing'-Projekten (wie man heute sagen würde) gehen würde. D.h. die Frage war, welche Dinge ich konnte, die für Kunden interessant sind. Meiner Ansicht nach (auch wenn prominente Blogger grade das Gegenteil geschrieben haben) kann man durchaus 'das Netz (besser oder schlechter) verstehen', d.h. etwas über seine Mechanismen bzw. über die Ziele und Bedürfnisse der Nutzer, die das Netz ausmachen) erfahren. Eine meiner ersten Ideen -schon 1989 oder 1990 - war, Informationen über das Netz zu sammeln, harte und "weiche" Fakten und sie weiterzugeben. Und das ist an sich das, was ich seit 1988 im Netz gemacht habe und was ich seit 2002 zu meinem Job gemacht habe: Über das Netz und seine 'Kultur' etwas lernen und das weitergeben.

Warum?

Weil ich glaube, dass im Netz Potential steckt.

Weil ich glaube, dass es ein riesiges kreatives Werkzeug für globale Verständigung und 'Wissensarbeit' ist. So wie vor der Französischen Revolution die 'Encyclopedie' stand, so steht zwischen uns und dem Überleben der Menschheit auf diesem Planeten das Netz.

Wenn Menschen etwas vor anderen Menschen schützt, dann ist es das Netz. (Man lese für einen Ansatz dazu das "Cryptonomicon" von Neil 'Metaverse' Stephenson)

Wenn etwas zwischen uns und der finalen Klimakatastrophe steht, dann, glaube ich, das Netz.

Denn nur durch Kommunikation, Kollaboration und Kreativität, die "3K", die das Netz uns in einem exorbitanten Maß zur Verfügung stellt, nur durch diese 'Werkzeuge' können und könnten wir es schaffen, diese Erde für Menschen bewohnbar zu halten und Menschen vor anderen Menschen zu beschützen.

Frage beantwortet? ;)

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